"Hallo! Schön, dass Du da bist." - Im Kinderhospiz

"Halloooooo! Schön, dass Du da bist." Mit diesen sonoren Worten hat mein Mann mich im Oktober 2012 begrüßt, als ich nach einem Treffen von lieben Freunden in Bamberg und einem Klassentreffen in Würzburg an einem Sonntag im Kinderhospiz im Allgäu angekommen war. Ich fand ihn zusammen mit unserer Hummel in der Ecke des großen, hellen Aufenthaltsraums auf einer Couch-Landschaft lümmeln. Ein riesengroßer Teddybär und eine synchron lümmelnde Pflegekraft machten die Runde perfekt. Ich war hochgradig irritiert und fragte die Pflegekraft, die mich an der Tür in Empfang und zu meiner Familie geleitet hatte, etwas verstört, was sie mit meinem Mann gemacht hätten. Ob sie ihm irgendwas gegeben hätten, weil ich ihn noch nie so entspannt erlebt hätte (ich kannte ihn immerhin seit 2005 und wir waren seit 2009 verheiratet!). Die Pflegekraft lachte und meinte, der wäre die ganze Zeit so gewesen. Verstörend.


Aber von vorn - wie es dazu kam, dass wir im Oktober 2012 überhaupt im Kinderhospiz in Bad Grönenbach gelandet sind.

Unser damaliges Palliativteam, an das wir angeschlossen waren, da unsere Tochter eine lebenslimitierende Diagnose hat, stellte bei einem der Hausbesuche fest, dass ich dringend Entlastung bräuchte. Der Burnout würde nicht nur mit auf der Couch sitzen, sondern aus jeder Ecke des Raumes winken. Und deshalb wollten sie uns einen Platz im Kinderhospiz organisieren.

Mir war gar nicht wohl dabei. Erstens war ich überhaupt nicht der Ansicht, auch nur in der Nähe eines Burnouts zu sein (ja, es ist sehr wohl möglich, sich ganz anständig in die Tasche zu lügen!) und außerdem war ich nicht der Ansicht, dass ein Kinderhospiz der richtige Ort für Entlastung für uns wäre. "So weit ist es ja noch nicht" dachte ich spontan. Sie lebt ja grad ganz gut und es sieht ja auch nicht so aus, als würde es bald zu Ende gehen mit ihr. Dass uns immer wieder versichert wurde, dass das gar nichts damit zu tun hätte, hat mich mal so überhaupt nicht überzeugt. Aber wir haben tatsächlich einen Platz bekommen.

Dummerweise war die Anreise just an dem Tag geplant, an dem ich von langer Hand ein Treffen mit "meinen amerikanischen Eltern" in Bamberg vereinbart hatte (das wäre mal eine Geschichte für sich, aber nicht heute) und am nächsten Tag hatte ich mein zwanzigjähriges Klassentreffen in Würzburg. Verschieben ließ sich der Aufenthalt nicht. Entweder wir kommen, weil wir es ja angeblich so nötig haben oder wir müssen ganz verzichten. Also hat mein Mann sich bereit erklärt, mit unserer Hummel vorweg zu fahren. Er war zum damaligen Zeitpunkt noch fest angestellt und es war nahezu unmöglich für ihn, mehr oder weniger spontan Urlaub zu bekommen. Schon gar nicht eine Woche am Stück zu der Zeit. Also fuhr er mit unserer Hummel ins Allgäu und ich nach Franken.

Natürlich haben wir am ersten Abend telefoniert und sein völlig verblüfftes "Du, das ist ganz anders als im Krankenhaus. Hier ist es hell und freundlich und alle Leute hier sind auch so freundlich, das ist echt bemerkenswert. Und stell Dir vor, ich muss nichts machen. Wir sind in Empfang genommen worden, man hat mir Katharina abgenommen und die wird einfach bestens versorgt. Ich kann Kaffee trinken. Mein Zimmer ist im ersten Stock. Das ist ja dann auch Dein Zimmer. Da steht ein richtiges Bett, wir haben ein eigenes Bad und auch da ist es hell und freundlich und es riecht so gut." 
So richtig vorstellen konnte ich mir nicht, was er da berichtet hat, aber er neigt nicht zu Übertreibungen. Hm. Irre. 

Und dann stand ich da und sah meinen Mann zum ersten Mal tiefenentspannt, unsere Tochter ebenfalls tiefenentspannt und mir war es ganz unheimlich. Noch am Abend musste er wieder zurück fahren, ich blieb mit unserer Hummel die ganze Woche über im Kinderhospiz. Ich hab geschlafen. Ich hab noch nie in meinem Leben so viel geschlafen. Ich hab unsere Fahne genäht, ich hab gelesen und ich war Mama. Ich war ganz einfach Mama. Ich musste nicht pflegen, ich durfte schwimmen, aufs Trampolin, durfte bei der Maltherapie dabei sein und durfte einfach genießen. Da hab ich es begriffen. Das ist ein Ort, der nicht zwingend mit Sterben verbunden werden muss. Auch das gehört dort dazu und beim ersten Aufenthalt konnte ich den Abschiedsbereich und den Fahnengarten noch nicht so einfach betreten. Das hat sich geändert. Im Hospiz lernt man auch mit dem Abschied umzugehen, was ein sehr wichtiger Prozess ist. Das Leben mit einem Palliativkind ist immer ein Abschied auf Raten, immer vorweggenommene Trauer. Dass das normal ist, das lernt man dort. Der Austausch mit anderen Eltern ist oft bereichernd. Familien mit Geschwisterkindern haben dort noch einen ganz eigenen Fokus. 

Ich glaube alle Familien, die schon in einem oder mehreren Kinderhospizen zu Gast waren, werden bestätigen können, dass es einfach nur schön ist.

In diesem Jahr dürfen wir im Kinder- und Jugenhospiz Sternenzelt in Bamberg Urlaub machen. In Absprache mit der Hausleitung darf ich Euch unter Wahrung der Privatsphäre anderer Gäste mitnehmen. Auf Instagram werde ich ein Highlight zusammenstellen und die Reels, die ich immer wieder hochladen werde, unter diesem Highlight für Euch sammeln. Ich würde mich freuen, wenn Ihr mich begleitet und wenn es mir gelingen könnte, Berührungsängste abzubauen, ein paar Einblicke zu gewähren, Verständnis zu fördern. Wer Fragen hat, darf sich selbstverständlich gerne an mich wenden.

In der Zwischenzeit möchte ich Euch gerne den Podcast mit Beate Neumeister ans Herz legen, den Ihr hier hören könnt: Zum Podcast, Und für mehr Inhalte zum Hospiz Sternenzelt dürft Ihr gerne beim Fränkischer Tag stöbern. 

Übrigens gilt das auch für jeden und jede einzelne von Euch: Schön, dass Du da bist!

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