Werden Amika und Yvonne dicke Freundinnen?

Einige Menschen kennen mich als fleißige Absolventin diverser Selbsttests. Manche finden unfreiwillig statt, einige führe ich ganz bewusst durch. So auch den Test mit der Amika. Für alle, die nicht im Thema sind: Amika ist eine Ernährungspumpe aus dem Hause Fresenius, mit der Flüssigkeit und Sondenkost appliziert werden kann. Einige meiner Klienten nutzen diverse Modelle von Ernährungspumpen verschiedener Hersteller. Sobald Normalkost ins Spiel kommt, sind aber viele frustriert bis verzweifelt, andere haben damit wenig bis gar keine Probleme. Da ich bis dato nie eine Ernährungspumpe besessen habe, konnte ich bislang nur in der Theorie mitreden. Als Mensch der Praxis, wollte ich diesen Zustand nicht länger hinnehmen. Mir wurde eine Pumpe leihweise angeboten und zwar ausgerechnet die Amika, mit der scheinbar alle Schwierigkeiten haben, etwas anderes als Flüssigkeit oder klassische Sondenkost durchzujagen. Und von meinen Erfahrungen möchte ich jetzt erzählen.


Die grundsätzliche Bedienung des Gerätes hatte ich rasch begriffen, einen stabilen Ständer haben wir von der Augensteuerung umfunktioniert. Der Freearm hat mitgeholfen, die Flasche mit der Nahrung zu halten. Die Bedienungsanleitung meiner neuen "Freundin" war für mich recht verständlich, um mich an die generelle Handhabung zu gewöhnen, haben wir mal mit Tee begonnen, weil ich dachte Tee geht immer. Muss gehen. Ging auch. Tadellos. Mit den Mengen und der "Förderrate" musste ich noch ein wenig spielen, aber grundsätzlich klappte das natürlich gut. Wie man dem Bild entnehmen kann, war mir die Sache allerdings schon reichlich suspekt, unsere Tochter wusste offenbar auch nicht so recht, was sie davon halten soll. Man darf wissen, dass unsere Hummel seit 11 1/2 Jahren ihre Magensonde hat und wir seit der Zeit auch Bolusgaben per Hand sondieren. Immer. Alles. Von daher war es ein ausgesprochen merkwürdiges Gefühl, unsere Tochter nun zu bepumpen. Der Begriff "Förderrate" in der Bedienungsanleitung stieß mir jedenfalls etwas unangenehm auf, sie ist ja keine Raffinerie. 

Die eigentliche Fragestellung war aber, ob sich auch Normalkost für die Sonde mittels Pumpe applizieren lässt, also nächster Versuch: Abendessen. Wir haben es uns einfach machen wollen und einen Getreidebrei mit Gemüse zubereitet. Ich war der Meinung, Getreideflocken mit ohnehin schon püriertem Gemüse und Tee wären homogen genug, aber weit gefehlt. Die Getreideflocken haben sich minimal abgesetzt und damit hat die Pumpe eine Blockade gemeldet. Immer und immer wieder, egal was ich versucht habe. Ich hab die Flasche geschüttelt, regelmäßig den Tropfbehälter manuell wieder befüllt, geöffnet, gespannt, geschlossen. Nichts zu wollen. Also Versuch abgebrochen.

Am nächsten Tag haben wir einen Zwieback mit einem Dinkelkeks in Saft und Tee püriert. Wir haben wirklich gut püriert, das ist wirklich flüssig. Aber leider wieder kein Erfolg. Die Backwaren setzen sich zu sehr am Boden der Flasche ab und schon meldet das System wieder eine Blockade. Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass mich dieses Alarmgeräusch kalt gelassen hätte. Um ehrlich zu sein, ich war mehr als genervt. Einschalten, ausschalten, jeder Alarm, alles macht Geräusche. Jemand wie ich, die ich ohnehin geräuschempfindlich geworden bin, leidet darunter wirklich körperlich.

Zwischen den Mahlzeiten haben wir das Problem "wie kriegen wir diesen ellenlangen Schlauch wieder sauber?" dank meines Mannes kreativ und sehr gut lösen können. Er kann halt einfach improvisieren und man merkt, dass er Abitur hat. 

Den letzten Versuch hab ich mit einem Mittagessen unternommen, das sehr fein püriert und ausgesprochen homogen war. Wir haben es mit Tee verflüssigt und als die Pumpe startete und tatsächlich begann zu fördern, dachte ich schon, ich hätte gewonnen. Weit gefehlt. Nach etwa 30 ml kam der erste "Stopp". Zwar ließ der sich noch beheben, aber der nächste folgte auf den Fuß und dann noch  einer und noch einer und jeder Stopp zog natürlich einen Alarm nach sich. Auch diesen Versuch hab ich sehr entnervt abgebrochen.

Die Pumpe geht mit Dank zurück, einen weiteren Versuch mit diesem Modell werde ich nicht unternehmen. Wenn ich jetzt die Möglichkeit gehabt hätte, noch weiter zu verdünnen, hätte es geklappt, da bin ich sehr sicher. Im Ansatz ging es ja schon sehr gut. Wichtig dabei scheint zu sein, dass es sich um eine wirklich sehr homogene Masse handelt. Meine Tochter toleriert nur maximal 300 ml, daher wollte ich nicht übers Ziel hinausschießen. Wenn jemand an größere Mengen gewöhnt ist oder es keine Rolle spielt, wenn die Pumpe längere Zeit läuft, wird man durchaus Chancen auf ein Funktionieren. Patienten, die mobil sind, werden damit sicher keine Freude haben, da man dann doch über einen längeren Zeitraum ans Gerät gefesselt ist. Wer sich daran aber nicht stört, wird ein "Tschakka" rufen können. Für uns war es jetzt aktuell keine Option.

Für diesen Test bin ich sehr dankbar, weil ich viel gelernt habe. Erstens weiß ich nun aus erster Hand, wie so eine Pumpe generell funktioniert. Zweitens hab ich die Herausforderungen der Handhabung mit dem System kennengelernt. Das war für mich etwas umständlich am Anfang, weil es ja einige Schritte der Vorbereitung bedarf, bis man beginnen kann. Ein stabiler Ständer ist ein absolutes MUSS, eine Möglichkeit, die Flasche oder einen anderen Behälter zu befestigen, in dem die Nahrung ist, braucht es ebenfalls. Außerdem sollte man sich ein Glas oder ähnliches bereitstellen, wenn man wie ich Luft im System hat und zwischendurch mal ein wenig "leer" pumpen lassen muss. Und für den Anfang empfehle ich auch die Bedienungsanleitung in Griffnähe zu haben, damit man gleich wegen der Fehlermeldungen nachlesen kann. Und man darf sich gleich überlegen, ob das angeschlossene Kind die lange Strippe des Überleitsystems als Einladung zum Spielen auffassen könnte. In so einem Fall sollte man sich tunlichst ein Schlauch-Versteck überlegen. Selbst nachts wäre es für unser Wusel keine Möglichkeit, ihre Flüssigkeit über die Pumpe laufen zu lassen. Zu groß wäre die Gefahr, dass sie sich verheddert und sich verletzt bzw. das Bett flutet.

Aber nicht nur diese technischen Details habe ich gelernt, ich habe auch sehr viel über mich selbst gelernt. Es ist für mich extrem befremdlich, für mein Kind eine Förderrate mit einer bestimmten Fördermenge bestimmen zu sollen, um sie dann automatisch bepumpen zu lassen. Die Magensonde allein ist für mich emotional schon schwierig genug gewesen in der Akzeptanz. Aber die Mahlzeiten über Bolusgaben zu verabreichen, während ich selbst esse, fühlt sich für mich wesentlich stimmiger an, als eine automatische Pumpe laufen zu lassen, deren Geräusche mich schon nerven. Vermutlich bin ich in dem Punkt zu über-empathisch.
Damit keine Missverständnisse aufkommen: Ich verurteile überhaupt nicht, wenn jemand zur Pumpe greift, ich habe nur verstanden, dass es für mich keine Option ist. Uns fehlt auch weitgehend der Anwendungsbereich. Unsere Hummel schläft leider nicht durch, bzw. selbst wenn sie durchschläft, müssen wir dennoch tätig werden in der Nacht. Wir müssen inhalieren und genau in der Zeit sondiere ich derweil. Ich muss ja ohnehin warten, bis der Inhalator fertig vernebelt hat. Danach kann ich in der Regel gleich wickeln und lagern. Wenn Kinder keine nächtliche Intervention benötigen, kann ich mir durchaus vorstellen, dass eine Pumpe den Eltern das Leben erleichtert, weil sie nicht aufstehen müssen. Auch wenn man mehrere Kinder hat oder alleinerziehend ist oder wenn alle gleichzeitig krank sind, kann ich mir durchaus vorstellen, dass eine Pumpe eine echte Erleichterung darstellt. Das sind Herausforderungen, die wir nicht haben (von einer möglichen, gleichzeitigen Erkrankung mal abgesehen) daher passt es für uns genau so. wie es ist mit Bolusgaben per Spritze. 
Ich wusste allerdings gar nicht, dass ich dem Sondieren mit so vielen Emotionen begegne, daher war es wertvoll, diese Erfahrung machen zu dürfen.

Für den Moment bin ich durch mit dem Versuch, Normalkost über die Pumpe ins Kind zu bringen. Ich kann mir aber durchaus vorstellen, dass ich bei Gelegenheit nochmal einen Versuch mit einer Infinity starte, mit der es angeblich leichter gehen soll. Dazu muss ich aber erstmal jemanden finden, der mir eine entsprechende Pumpe mit zugehörigem Überleitsystem leihen kann. Und ich brauch eine Pause. Rasch brauch ich so ein Gepiepse nicht gleich wieder und vor allem nicht den Frust, wenn es wieder nur sehr schwer oder gar nicht funktioniert mit der von mir produzierten Konsistenz. Und irgendwie hab ich es so im Gefühl, dass es mit einer Pumpe nicht so einfach funktionieren wird wie mit der Spritze. 
Und noch etwas muss ich leider anmerken. Diese Müllberge, die man da zwangsläufig produzieren muss. Wohin mit dem ganzen Plastik? Nee, da lass ich alles erstmal wie es ist und vielleicht versuch ich wie gesagt bei passender Gelegenheit ein anderes Modell.

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