So muss sich Inklusion anfühlen

Diese Woche hab ich recht beschwingt begonnen. Nicht nur die Erwerbsarbeit ging mir gut von der Hand, auch mein Haushalt und die Pflege. Ich war sogar in der Lage ein wenig Liegengebliebenes aufzuarbeiten. Gut fühlt sich das an, wenn die Berge kleiner werden. Was ich nicht ganz verstanden habe war der Grund dafür. Es ist eine Woche wie jede andere oder etwa nicht? Was war anders als sonst? Es hat eine Weile gedauert, bis es mir langsam gedämmert ist. Dieses Wochenende war Mittelaltermarkt und wir waren dabei.


Dass wir bei einem Event in unserem Ort dabei sind, ist eigentlich nicht ungewöhnlich. Häufig muss mein Mann ohnehin arbeiten und da liegt es nahe, dass wir ihn begleiten, wenn unsere Hummel stabil ist. In unserem Ort ist es auch total easy, mit ihr unterwegs zu sein. Wir sind im Notfall schnell zu Hause, müssen eigentlich keine Wickelsachen mitnehmen und wir sind hier bekannt wie bunte Hunde. Das bedeutet, dass wir eigentlich immer nette Menschen treffen, die uns kennen und mit uns nett plaudern. 

Kinder, die uns nicht kennen sind für mich oft ein Problem. Dafür können die Kinder nichts, sie sind halt Kinder mit Behinderung sehr offensichtlich nicht recht gewohnt. Sie starren. Häufig. Und ihre Eltern - ja, die tun meistens nix. Irgendwie bin ich das gewohnt und meist kann ich damit recht gut umgehen, als pflegende Mutter legt man sich zwangsläufig ein dickes Fell zu. Manchmal schmerzt es mich schon, das gebe ich zu. Aber an diesem Wochenende war es ein wenig anders.

Im Nachhinein hab ich drüber nachgedacht, warum das eigentlich so war und vermute, dass in der Mittelalterszene möglicherweise überdurchschnittlich viele Menschen in sozialen Berufen arbeiten. Anders kann ich mir die entspannten Begegnungen gar nicht erklären. Es gab keine Berührungsängste der Erwachsenen, ganz im Gegenteil. Unsere Hummel wurde wiedererkannt, da sie am Vormittag schon mit unserem Familienhelfer am Gelände unterwegs war. Die flotte Farbe ihres Rollis wurde bewundert. Eine Standbetreiberin hat völlig selbstverständlich mit ihren Kindern überlegt, welche Figuren auf dem Speichenschutz zu sehen sind. Eine Sängerin, die sich als eigentlich Intensivschwester entpuppte, fand es toll, dass wir in der Öffentlichkeit sondieren. Unsere Hummel wurde angesprochen, es hat sich aber niemand daran gestört, dass sie Fragen nicht beantwortet, nicht spricht, nicht wirklich reagiert, sie wurde trotzdem ins Gespräch einbezogen. Myoklonien, von denen sie zur Zeit leider sehr viele hat, wurden nur kurz und fast lapidar mit "is aber auch sehr warm" zur Kenntnis genommen, erschrocken hat sich darüber niemand. Es war ganz einfach herrlich normal. Ich hab mich fast gefühlt wie früher, als ich noch regelmäßig mit meiner Freundin das Münchner Tollwood besucht habe. Die Gerüche des Mittelaltermarktes haben mich erinnert an das Früher.

Und als ich jetzt so über dieses Wochenende nachgedacht habe, nach wie vor mit einem breiten Grinsen im Gesicht, wurde mir klar, was so anders war als sonst. Es hat sich ganz normal angefühlt. Wir waren keine Aliens, wir waren einfach normal und mittendrin. Und da wurde mir ein wenig schmerzhaft bewusst, dass sich so die echte Inklusion anfühlen muss. Es wäre wirklich schön, wenn es die regelmäßig gäbe, von immer will ich jetzt gar nicht träumen, aber so ein paar mal häufiger echte Inklusion - ich könnt mich glatt dran gewöhnen. Es fühlt sich nämlich gut an, irgendwie normal zu sein und die Inklusion, die fühlt sich richtig gut an.

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