Das wünsche ich mir für Begegnungen mit meinem Kind

Neulich habe ich eine sehr liebe Nachricht bekommen. Eine Person war über eine Aussage von mir gestolpert. Ich hatte in einem Post erwähnt, dass ich es oft herausfordernd finde, wenn andere Kinder mich und mein Kind anstarren. Wie Eltern in so einem Fall reagieren können, um genügend Empathie und Fingerspitzengefühl an den Tag zu legen und im Idealfall sogar ein Vorbild zu sein, wollte die Nachrichtenschreiberin wissen. Ist es gut, das Kind zu ermahnen, nicht hinzusehen?


Ob alle Eltern von Kindern mit Behinderung so empfinden wie ich und das genau so sehen, weiß ich nicht. Ich werde hier davon schreiben, wie ich es sehe und was ich mir für Begegnungen mit meinem Kind wünschen würde. 

Herausfordernd finde ich es oft, wenn andere Kinder uns anstarren. Ich verstehe natürlich, dass dieses Anderssein Kinder irritieren kann, vor allem, wenn sie noch nie andere Kinder mit Behinderung gesehen haben. Aber Starren finde ich in keinem Fall angebracht, egal wer da angestarrt wird. Ich wünsche mir also von allen Eltern, die das Starren ihrer Kinder wahrnehmen, dass sie intervenieren. Außer das starrende Kind hat selbst eine Behinderung und starrt deshalb. Dann gehört das dazu.

Auch aus der Ferne mit dem Finger auf meine Tochter zu zeigen, empfinde ich als unangenehm. Meine Großmutter hat mich seinerzeit immer ermahnt "mit nackigen Fingern zeigt man nicht auf angezogene Leute". Wie sinnig dieser Spruch ist, sei dahingestellt. Ich hab ihn aber offenbar rasch genug verinnerlicht, da ich klein genug war, um nicht zurück zu fragen "und wenn ich Handschuhe anhab?" Das wäre vermutlich passiert, wenn ich älter gewesen und reflektiert hätte. 

Ein weiteres Szenario, das ich besonders unangenehm finde, ist die Frage "was hat denn die?" gerne gepaart mit den beiden oben genannten Szenarien. Warum ich das so unpassend finde? Weil es meine Tochter auf ihre Behinderung reduziert und den Menschen dahinter nicht wahrnimmt. Das verdient sie nicht. Wobei ich diese Frage einem Kind natürlich verzeihe, Erwachsenen eher weniger.

Was würde ich mir nun stattdessen wünschen oder wie würde ich mir wünschen, dass die Situation für beide Seiten etwas angenehmer wird? Und warum werde ich nicht einfach selbst tätig, sondern erwarte auch irgendwie von den Eltern der jeweiligen Kinder eine Intervention? Ganz einfach deshalb, weil ich keine Ahnung hat, wer da vor mir steht. Ich weiß nicht auf welchem Stand die fremden Kinder intellektuell und emotional sind. Ich möchte ja niemanden verstören, überfordern oder gar traumatisieren. Denn diplomatisch kann ich halt leider nicht. Ich kann sehr gut kindgerecht erklären, aber das mache ich ungern unaufgefordert.

Wenn Eltern aus so einem etwas peinlichen Hoppla-Moment eine gute Situation für alle Beteiligten machen möchten, gibt es da sicher ein paar einfache Ansatzmöglichkeiten. Ich erkenne als Elternteil ja, worauf oder warum das Kind starrt und kann dieses sprachlose Staunen einfach als solches "hinterfragen" mit vielleicht "was gefällt Dir denn an dem Mädchen so gut, dass Du ganz sprachlos bist?" Und schon kann ein Gespräch daraus entstehen. Etwas kreativer müsste vermutlich eine passende Antwort auf "was hat denn die?" ausfallen. Da könnte man sich entweder irgendetwas herauspicken, z.B. "das Mädchen hat auf jeden Fall einen fetzigen Rollstuhl". Mit irgendeiner Einleitung wie dieser ist das sichere Signal da, dass es sich um Eltern handelt, die Berührungsängste ernst nehmen, aber mit abbauen möchten. Und dem eigenen Kind signalisieren die Eltern, dass es nicht alleine ist mit seiner Unsicherheit, sondern dass die Eltern bei dieser ungewohnten Situation dabei sind.

Ein lapidares "magst Du dem Mädchen hallo sagen und mal fragen, wie es heißt?" klappt übrigens auch ganz fantastisch als Gesprächseröffnung. Dann werde ich sicher für unsere Hummel antworten und gleich erklären, warum sie das selbst nicht kann.

Ein "was machst Du da?" wenn ich mit der Spritze sondiere, stört mich übrigens gar nicht. Ich sorge schließlich dafür, dass unsere Prinzessin weder Hunger noch Durst haben muss. Da sie nicht schlucken kann, isst und trinkt sie direkt mit dem Bauch. Tut aber nicht weh, die Spritze hat keine Nadel wie beim Arzt. So erkläre ich das üblicherweise auch.

Ja, Kinder dürfen fragen. Unbedingt. Das sollen sie sogar. Nur wer Fragen stellt, hat die Chance, die Welt zu verstehen. Natürlich ist mir nicht an jedem Tag danach, unsere komplette Lebensgeschichte zu erzählen. Man glaubt es sicher kaum, aber ich kann mich durchaus auch kurz fassen. Jede freundliche Frage wird natürlich auch freundlich beantwortet. Mir ist es sehr wichtig, Berührungsängste abzubauen. Selbstverständlich darf man nach vorherigem Fragen unsere Hummel auch mal anfassen, ihr die Hand geben. Ungefragt mag das niemand. 

Eine Situation gibt es tatsächlich, aus der ist es etwas schwierig die Kurve zu kriegen und wenn ich genervt bin, weil ich schon wieder der Alien bin, kann es durchaus sein, dass ich die Eltern im Regen stehen lasse oder auch mal eine etwas freche Antwort gebe. Unsere Hummel hat offenbar einen für andere Kinder attraktiven Speichenschutz und es ist uns schon einige Male passiert, dass ein Kind staunend vor dem Rolli stand und den Eltern erklärt hat: "Schau mal, das ist cool, sowas will ich auch haben!" Mein genervtes "Ich" könnte auf so einen Wunsch durchaus mit einem "frag doch Deine Eltern, warum Du sowas nicht bekommst" reagieren. Passiert allerdings wirklich selten, das Kind kann ja im Normalfall nichts für die seltsame Situation.

Kommt man mit dem Gegenüber in ein Gespräch, ist es ganz leicht zu erklären, warum meine Tochter komisch zuckt (das Gehirn ist leider kaputt als kindgerechte, schnelle Erklärung), warum sie nicht reagiert (hört und sieht schlecht) und dass sie eben nicht spricht, nicht schlucken kann und auch deshalb ein wenig sabbert. Wenn ich nicht ausgerechnet einen richtig schlechten Tag habe, aber den sieht man mir wirklich am Gesichtsausdruck an!, dann macht es mir nichts aus, Fragen zu beantworten und auch ein wenig ausführlicher zu erklären, was unsere Tochter zu einer Spezialausgabe macht. Frisch diagnostizierten Familien fällt es vielleicht nicht so leicht, frisch und fromm die selbst noch nicht ganz verdaute Lebensgeschichte zu erzählen.

Aber generell finde ich persönlich Fragen gut. Sie helfen zu verstehen. Und so ein Minimum an freundlicher Begegnung, ein kurzer, aufmunternder Blick, ein einfaches "hallo" sind mir sehr lieb und auch völlig ausreichend. Ein "da schaut man nicht hin", "starr nicht hin" oder das Kind einfach am Arm wegzuziehen von uns, finde ich unangenehm. 

Auch bei Kindern, die gerade völlig ausrasten, weil irgendetwas zu viel war an Input, ist es wenig hilfreich, wenn Außenstehende anklagend schauen, irgendetwas von Erziehung bzw. Ermangelung derer flüstern oder mit dem Kopf schütteln. Vielleicht ist das Kind nicht einfach unerzogen, sondern kann zu viele Sinneseindrücke nicht verarbeiten. Wenn Sie Verzweiflung oder Resignation in den Augen des begleitenden Elternteils sehen, schadet es auch nicht, einfach freundlich "hallo" zu sagen. Wenn es passt, hat auch sicher niemand etwas gegen die Frage "wie kann ich Ihnen denn grad helfen?". Auch wenn es nichts gibt, ist es ein gutes Gefühl, dass man mit seinem Kind, das völlig außer sich ist, nicht automatisch verurteilt wird, sondern einfach nur in seiner Not gesehen.

Ob das allen Eltern so sehen, weiß ich natürlich nicht, es ist mein Empfinden. Und natürlich kommt es auch immer auf die Behinderung an, auf die Situation etc. Vielleicht möchten ja andere Eltern auch berichten, wie sie sich Begegnungen mit ihrem Kind wünschen. Vielleicht können wir ja gemeinsam sammeln und unserem Umfeld ein paar Ideen an die Hand geben, wie wir gesehen und verstanden werden möchten und wie wir uns den Umgang mit uns und unseren Kindern wünschen würden. #sowünscheichmirbegegnungenmitmeinemkind








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