Toilettentraining für stark beeinträchtigte Kinder - macht das Sinn?

Unsere Hummel war schon immer reinlich. SEHR! Sie konnte es als Säugling schon nicht leiden, wenn die Windel voll war. Umgehend musste der Prinzessinnenpopo gesäubert werden, sonst war das Geschrei groß. Im Laufe der Jahre hat man auch deutlich vorher gemerkt, wenn es soweit war, dass das große Geschäft verrichtet wurde und dass das manchmal ganz schön anstrengend sein konnte, wenn sie im Sitzen versucht hat in die Windel, auf der sie eben saß, zu pressen, war auch klar. Wir haben also nach einer Lösung gesucht und im Austausch mit anderen Müttern aus den USA und Großbritannien bin ich auf eine reichlich simple Möglichkeit gestoßen, die so einfach war, dass ich überzeugt war, das kann nie gehen. Aber einen Versuch war es durchaus wert. Und so habe ich auf Anraten einer Mutter mit einem schwerst mehrfach behinderten Kind einfach eine preisgünstige, gepolsterte Toilettensitzverkleinerung aus dem normalen Kinderbedarf erworben und war neugierig, was passieren würde.




Nach einem ersten, erstaunten Blick, was ich jetzt wohl mit ihr auf der Toilette will, hat die Hummel sehr schnell begriffen, was das soll. Der Urin landete brav in der Schüssel. Na, toller Zufall dachte ich, aber immerhin hat sie das Prozedere akzeptiert, ich fühlte mich also ermutigt, weiterzumachen. Das haben wir dann in den nächsten Tagen immer wieder probiert. Urin klappte zunehmend weniger, aber Stuhl absetzen klappte hervorragend. Ich war fast schockiert. Sollte es tatsächlich möglich sein, mit meiner körperlich und geistig schwer beeinträchtigten Tochter so etwas wie ein Toilettentraining zu machen? Bestärkt durch die Erfolge haben wir weiter gemacht. Und es hatte Methode, denn es klappte zuverlässig.

Wie man auf dem Bild sehen kann, ist die Haltung für mich auf Dauer problematisch. Mit zwei Bandscheibenvorfällen ist dieses Gebücke nicht so der Brüller und auch für die Hummel war es nicht ganz optimal. Ganz alleine sitzen zu können wäre schon irgendwie besser. Außerdem wurde das Duschen zunehmend zum Problem. Wir hatten zwar eine Badeliege, aber die passt nicht in die Dusche, also mussten wir in der Badewanne duschen und das ist - man ahnt es schon - mit zwei Bandscheibenvorfällen nicht so optimal, weil die Liege erstens relativ tief steht und ich mich verdrehen muss.

Der Rehatechniker hatte aber eine gute Lösung, Toilettenstühle gibt es schließlich als Dusch- und Toilettenstuhlkombination. Das war es! Unser Ärzteteam war zwar zunächst kurz überrascht von meinem Vorhaben, aber total begeistert, zumal es für die ewigen Harnwegsinfekte durchaus zuträglich ist, wenn der Stuhl in die Toilette abgesetzt wird und nicht in der Windel landet. Die ärztliche Verordnung wurde mit großer Begeisterung ausgestellt und dann hieß es beantragen und warten.

Schon ein Vierteljahr später hatten wir aber riesigen Erfolg und wir konnten unseren Toilettenstuhl daheim benutzen. Unsere Motte fand das sehr entspannend, sehr zu unserer Belustigung.


Inzwischen haben wir ein weiteres Modell in der Schule, denn auch da war nach kurzem Erstaunen, dass das klappen soll, die Bereitschaft da, es zu versuchen. Siehe da, es funktioniert hervorragend. Inzwischen ist die kleine Dame so sehr auf ihren Stuhl fixiert, dass sie aushalten kann, wenn man sie darum bittet, bis sie draufgesetzt wird. Muss sie ihr Geschäft in die Windel verrichten, weil es keine Möglichkeit gibt, sie auf den Thron zu setzen, macht sie nur kleine Portionen und wartet mit dem Rest, ob sich doch noch eine Gelegenheit ergibt, den Rest in den Eimer zu drücken. Urin ist nach wie vor eine Seltenheit. Ob ihr das zu sehr spritzt oder aus anderen Gründen unheimlich ist, haben wir noch nicht herausgefunden. Wenn es klappt, ist es natürlich ausgesprochen praktisch, dann können wir sofort einen Teststreifen hineinhalten und kontrollieren, ob der Urin auch sauber ist. Harnwegsinfekte sind leider immer noch nicht komplett eliminiert - aber das ist ein anderes Thema.

Auch zum Duschen ist der Stuhl klasse, man sollte nur tunlichst den Spritzschutz und den Eimer vorher entfernen, sonst kommt man nicht an alle säuberungswürdigen Teile des Kindes und es gibt eine mächtige Sauerei. Entspannend ist so ein Toilettengang immer noch, aber eigentlich geht das sehr schnell, auch wenn es grad so aussieht, als würde die Hummel Stunden auf dem Thron verbringen. Ich wollte lediglich ihre Intimspähre etwas wahren beim Ablichten auf dem Stuhl.


Ich kann also allen Eltern raten, einfach mal ein Toilettentraining auszuprobieren, auch  wenn das eigene Kind sehr schwer beeinträchtigt ist. Ich bin sicher, dass es in ganz vielen Fällen zum Ausprobieren mit so einer preisgünstigen Toilettensitzverkleinerung funktioniert. Für Kinder mit Wahrnehmungsstörung ist möglicherweise die gepolsterte Version angenehmer, weil sie nicht so kalt ist. Und verwöhnte Popöchen leiden bei Kälte schon sehr!

Kleine Anekdote zum Abschluss: Der Toilettenstuhl wird langsam zu klein, ich habe Ende Februar einen Antrag auf die nächste Größe gestellt. Leider ist es nicht zugelassen, die nächstgrößere Sitzeinheit auf das vorhandene Untergestell zu packen - wäre auch zu einfach und zu kostengünstig. Auf Nachfrage teilte mir die Versicherung mit, dass sich die Bearbeitungszeit leider verzögert und voraussichtlich mit einem Bearbeitungsbeginn am 11. Juni diesen Jahres zu rechnen sei. Da fehlen selbst mir die Worte! Drum, wer dringend Hilfsmittel benötigt, möge immer und stets umgehend und sofort mit höchster Dringlichkeit beantragen, sonst wird das in diesem Jahr nichts mehr.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Wie fühlt sich das eigentlich an mit Sonde?

Nicht ganz dicht, oder?

Wenn das Sterben zum Leben gehört