"Und, wie war bei Euch Heilig Abend?" Ganz ok, sag ich, leider hatte Katharina mit der Epilepsie arg zu tun. Optimal ist anders, aber wir hatten schon schlimmere Bescherungen. Also ging schon. Ist grad insgesamt ein wenig schwierig. #seifroh dass Ihr nicht im Krankenhaus wart und dass Ihr keinen Infekt habt, sagt mein Gegenüber. Ja klar, bin ich darüber froh. Natürlich. Es könnte immer schlimmer sein. Wir hatten es schon schlimmer und es gibt ganz viele Familien, in denen ist es dauerhaft wirklich schlimm. Aber heißt das, dass ich nicht erwähnen darf, dass ich unsere Situation trotzdem nicht optimal finde? Muss ich mich immer automatisch nach unten und nach schlimmer orientieren? Müsste ich das auch, wenn ich nicht pflegende Mutter wäre? Wäre es als Mutter eines neurotypischen Kindes auch ein Privileg, dass ich erwerbstätig bin und ich selber schuld, wenn manches zu viel ist? Darf ich nicht erwähnen, dass es Mist ist, dass unsere Tochter keinen einzigen Schultag im Dezember erleben durfte, weil die einzige Pflegekraft ausgefallen ist und inzwischen auch fristlos gekündigt hat? Darf ich nicht sagen, dass mir noch mehr gesundheitliche Stabilität durchaus gefallen würde? Darf ich nicht erschöpft sein, weil alles gleichzeitig passiert und ich kaum Möglichkeiten zur Erholung habe? Klar findet meine Erschöpfung in einer anderen Dimension statt, als bei der Mutter, die seit Wochen und Monaten mit ihrem Kind im Krankenhaus oder auf Reha verbringt. Natürlich hab ich es besser, als die Mama ohne Pflegedienst und sehr viel besser, als die Mama, die ihr Kind bereits verloren hat. Aber weißt Du, die Mama, die Monate mit ihrem Kind in der Klinik war, schreibt mir "es tut mir leid, dass es grad anstrengend ist". Die Mama, die ihr Kind bereits verloren hat, ruft mich an und sagt mir "das ist ja grad Mist bei Euch". Die, denen es noch viel beschissener geht als mir, können meine Lebensrealität trotzdem anerkennen. Das eine hat mit dem anderen nämlich nichts zu tun. Ich kann Großartiges sehen, darf aber auch benennen, was nicht gut läuft. Nicht nur weiß und schwarz, auch grau. Gleichzeitigkeit. Ja, ich bin durchaus froh! Und ich bin auch erschöpft und #sorgemüde. Beides!


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