Ich lebe in einer Parallelwelt. Seit über 14 Jahren schon und manchmal überlege ich, ob ich noch „normal“ bin. "Was ist schon normal?“ ist philosophisch. Ich spare mir die Antwort. In der einen Welt bin ich berufstätig und erledige meine Aufgaben fristgerecht, zuverlässig und kompetent. Ich vereinbare Termine, sowohl beruflich als auch privat. Also keine privat privaten Termine, mehr so Therapeuten- und Arzttermine und alle sonstigen Termine, die in einem geordneten Leben anfallen. Ich organisiere, putze, koche, physiotherapiere, pflege und wuppe mit meinem Mann unser Leben erstaunlich gut. Souverän, organisiert, witzig, das sind wir. Von außen betrachtet wirken wir strukturiert und aufgeräumt, es läuft und es läuft vorwärts und gut. Das bin ich. Yvonne, 51 Jahre alt, Verwaltungsbeamtin, Ernährungsberaterin, Fachkraft für Prävention, Ehefrau und Mutter. Und dann ist da mein zweites Ich, das zeitgleich in einer Parallelwelt haust. Dieses Ich hat richtig schlechte Tage, Tage voller Zweifel. Ständige Sorge ist ein Hauptbegleiter dieses Parallel-Ichs. In der Parallelwelt traue ich mich manchmal gar nicht, neue Hilfsmittel zu beantragen. Ich weiß, es können Monate vergehen und im Winter weiß man ja nie, ob unsere Tochter den nächsten Infekt überhaupt überlebt. Parallel-Yvonne hadert und ist frustriert über die Kraftlosigkeit, die sich nach 14 Jahren einstellt. Es fällt ihr schwer, sich immer wieder zu motivieren. Sie ist frustriert über all die Aufgaben, die an ihr kleben in dieser zweiten Welt. Wenn die instabile Hummel ein paar Stunden wieder den Stabil-Modus fahren kann, wechselt meine Welt meist recht rasch. Dann hänge ich mich ans Telefon, schreibe Mails, zahle Rechnungen und organisiere weiter unser Leben. Gerade pflegende Eltern leben oft in zwei Welten, besonders in extremen Situationen. Ich denke da im Moment an @simonerouchi , die heute einen Ausflug in ihre alte Welt machen durfte. Manchmal hilft ein Anker aus der organisierten Welt, der in der Parallelwelt sein darf. Ein Handschmeichler aus Rosenquarz oder ein besonders schönes Glas. Ein Blick auf unseren Anker kann uns in der Parallelwelt helfen, in die erste Welt zu hüpfen. Nicht immer, aber oft.


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