Von unserem Umgang mit blähenden Lebensmitteln

Unsere Hummel war eigentlich schon immer etwas empfindlich was ihre Verdauung anging. Sie hatte häufig Bauchschmerzen, Blähungen und immer wieder Phasen, in denen sie verstopft war. Durch ihre zeitweise angestrengte Atmung und längere Schreiphasen kam natürlich schon von außen viel Luft in den kleinen Körper, die halt irgendwie auch wieder raus musste, dummerweise bevorzugt über den Darm. Seit Anlage der PEG können wir zwar über die PEG entlüften. Wie das funktionieren kann, hatte ich hier schon einmal beschrieben, aber das ist ja kein Allheilmittel. Da sie mit Normalkost ernährt wird, hatte ich mir also angewöhnt, blähende Lebensmittel weitgehend zu vermeiden. Und dann war da eines Tages ein winziges Stück Zwiebel auf der Pizza, die ich püriert hatte.


Es war ein Drama! Das arme Kind hatte solche Schmerzen in der Nacht, dass wir ihr ein Schmerzmittel geben mussten. Ich hab mich so schlecht gefühlt, dass mir dieses Zwiebelstück durchgerutscht war. Wie brutal Blähungen sein können, hatte ich selbst schmerzhaft nach meinem Kaiserschnitt erfahren. Meine Güte kann das weh tun! Also habe ich in der Folge wieder alles akribisch gemieden, was Blähungen auslösen könnte: Bei Auberginen, Paprika, Tomaten, Gurken, allem, was irgendwie schwer verdaulich sein könnte, wurde die Schale vor dem Kochen oder Zubereiten entfernt. Blumenkohl, Zwiebel, Knoblauch, Porree, Steckrüben und dergleichen wurden vom Speiseplan ebenso entfernt wie kräftiges Vollkornbrot und kräftige Käsesorten.

Ganz glücklich war ich mit der Auswahl nicht muss ich gestehen, weil der Speiseplan damit ja auf sehr leicht verdauliche Lebensmittel reduziert wurde, was natürlich auch zur Folge hatte, dass nur bestimmte Darmbakterien richtig gefüttert wurden und einige Ballaststoffe für eine geregelte Verdauung und regelmäßigen Stuhlgang einfach fehlten. 

Wenn man als Quereinsteiger die Ausbildung zum Ernährungsberater beginnt, lernt man zwar die Anatomie des Verdauungstraktes sicher nicht so intensiv, wie das Mediziner, Pflegekräfte, Diätassistenten oder Ökotrophologen tun (also ich hoffe jedenfalls, dass das dort sehr intensiv gelehrt wird!) aber ich hatte mir genügend Wissen erarbeitet, um zu verstehen, dass nur eine anständige Diversität im Speiseplan dauerhaft dafür sorgen würde, dass Verstopfungsphasen reduziert werden können. Ein weiteres Ziel war es, das Immunsystem noch besser zu stärken und ich hatte mir eingebildet, dass auch das nur mit einer weitgehend gesunden Darmflora funktionieren kann.

Was also tun, wenn das Bäuchlein so empfindlich ist? Ich hab mal die Methode Try & Error bemüht und einfach geschaut, was passiert, wenn ich eine Aubergine beispielsweise nicht mehr komplett schäle, sondern einfach ein wenig Haut dran lasse. Beim nächsten Mal ein wenig mehr und so fort, bis die Aubergine völlig ungeschält verwendet werden kann. Siehe da, diese homöopathischen Dosen und kleinen Steigerungen brachten genau den gewünschten Effekt. Blähungen waren zwar da, aber scheinbar nicht mehr schmerzhaft, die Winde gingen einfach ab und gut war.

Sichtbar motiviert ging es mit diesen Minischritten weiter und so wurden auch Paprika, Tomaten und Gurken nicht mehr unbedingt geschält, bei den Tomaten konnte ich auf die kleinen Cocktailtomaten umsteigen, Tomaten gingen also auch roh, auch rohe Karotten waren plötzlich möglich. Mit dem Brot habe ich es genau so gemacht. Erst ein kleines Stück Vollkornbrot dazu gegeben, dann immer mehr, bis wir bei einer kompletten Scheibe waren. Beim Brot habe ich außerdem darauf geachtet, nur bei traditionell backenden Bäckern einzukaufen, die noch lange Gehzeiten für ihre Brote haben. Diese Brote sind allgemein besser verträglich, das stelle ich selbst fest.

Was hat uns das gebracht? Enorm viel! Inzwischen muss ich nicht mehr überlegen, ob ein Lebensmittel geht oder nicht. Wir hatten inzwischen sogar schon Knoblauch und Zwiebel auf dem Speiseplan und auch ein Blumenkohl ging prima. Einen Vorteil, den ich bis dahin noch gar nicht so auf dem Schirm hatte, ist der Mittwoch Vormittag. Seit diesem Schuljahr darf unsere Tochter nämlich an der Aktion "Gesunde Brotzeit" teilnehmen und genau wie alle anderen mit ihrer Schulbegleitung ein Brot belegen und dann verzehren. Für unsere Tochter wird es - wie auch für ein weiteres Kind - einfach püriert und sie verzehrt es über den Schlauch. Ich hatte mir nie Gedanken darüber machen müssen, dass ich unseren Schulbegleiterinnen eine Liste an die Hand drücken muss, was alles vermieden werden soll, denn es muss nicht mehr. Sie kann alles bekommen, was schmecken könnte. Somit haben wir mit unserer Gewöhnung an alle möglichen Lebensmittel nicht nur etwas für einen gesunden Darm, ein starkes Immunsystem, eine geregelte Verdauung und weniger Kopfzerbrechen beim Kochen getan, sondern fördern auch aktiv echte Teilhabe. 

Wenn Sie nach diesen Zeilen nun ,motiviert sind, das ebenfalls zu probieren, möchte ich Sie vorsichtshalber darauf hinweisen, dass Sie solche Aktionen bitte niemals in akuten Schmerzphasen ausprobieren sollten. Auch bei akuten oder chronischen Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes rate ich sehr dringend zur Rücksprache mit dem behandelnden Arzt, um eventuelle Beschwerden nicht noch zu verstärken oder die Situation gar eskalieren zu lassen. 
Bei gesunden, stabilen Menschen spricht nichts gegen eine vorsichtige Gewöhnung an Blähendes. Bei Menschen mit Einschränkungen seien Sie bitte besonders achtsam und halten wie gesagt vorsichtshalber zunächst Rücksprache mit dem zuständigen, medizinischen Team. Aber haben Sie gerne im Hinterkopf, dass sich ein Versuch wirklich lohnen kann. Im Sinne der Darmgesundheit und im Sinne der Teilhabe. 
Darauf eine Zwiebel!




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