Lissencephaly awareness day - 8. September (Tag der Lissenzephalie)

Heute ist der Tag der Lissenzephalie. Dieser "Gedenk"-Tag soll aufmerksam machen auf eine Erkrankung, von der und über die kaum jemand etwas weiß. Unsere Motte kam mit einer Miller-Dieker-Lissenzephalie zur Welt. Diese Liss ist ein Gendefekt, ein Fehler auf Chromosom 17, der weitreichende Folgen nach sich zieht.


Natürlich könnte ich jetzt den gesamten Wikipedia-Eintrag kopieren, genau erklären, was das bedeutet, aber da wären auch ganz viele Details dabei, die nicht auf unsere Prinzessin zutreffen und einige Tatsachen, die ich oft lieber ausblende oder mal für eine Weile verdränge. Die verkürzte Lebenserwartung zum Beispiel. Wobei sie ihre "maximal zwei bis drei Jahre" zum Glück schon deutlich überschritten hat.

Nichts und niemand hätte diese Lissenzephalie verhindern können. Während der Schwangerschaft läuft einfach die Gyrierung falsch, also die Ausbildung der Gehirnwindungen. Die ist entweder reduziert oder gleich gar nicht vorhanden und so ist das Gehirn dann glatt. Übrigens weiß ich von einer anderen Mama seit gestern, dass auch Koalas ein glattes Gehirn haben. Das wird sicher der neue Spitzname unserer Prinzessin.


Bei unserer Maus kommt hinzu, dass der Balken, also die Verbindung von rechter und linker Gehirnhälfte, auch teilweise fehlt und es kommt zu vielen Fehlschaltungen im Gehirn. Wie einige Kinder mit Miller-Dieker-Syndrom hat auch sie zusätzlich ein West-Syndrom. Das ist eine therapieresistente Form der Epilepsie, die uns in den letzten Monaten ganz gewaltig zu schaffen macht. 

Wegen ihrer Gehirnanomalie hat sie weitere Herausforderungen zu bewältigen. Sie ist hör- und sehbehindert, hat multiple Wahrnehmungsstörungen, ist nonverbal, immobil und hat eine Schluckstörung. Daher wird sie über einen Gastrotube ernährt. 

Den Verdacht für diese Diagnose gab es schon in der Schwangerschaft und ich bin froh und dankbar über die Pränataldiagnostik, die uns vorwarnen konnte. Wir hätten tatsächlich einen späten Schwangerschaftsabbruch verlangen können, das war für uns aber nie eine Option. Ich bin froh, dass wir Zeit gewinnen konnten, um uns mit der Diagnose und der damit verbundenen Prognose auseinander zu setzen. So war der erste Meilenstein, mein Kind lebend im Arm zu halten nach der Geburt, schon mal wie ein Wunder. Wir mussten vom ersten Tag an Abschied nehmen von dem Leben, das wir eigentlich geplant hatten und sind nicht wie so viele Eltern mit Lisskindern, nach Wochen oder gar Monaten völlig perplex aus dem Leben gerissen worden, doch kein gesundes Kind zu haben.

Wir haben immer wieder gute Momente und wir können immer wieder lachen, aber es gibt auch die Phasen, in denen gar nichts lustig ist. Phasen, in denen ich immer wieder traurig bin darüber, dass unserer Maus und uns kein "normales" Leben vergönnt ist, sondern immer wieder Hürden unseren Weg pflastern. 

Lissenzephalie ist nicht heilbar, ist nicht zu verhindern. Eltern aller Altersstufen können betroffen sein, egal aus welchem Land der Erde. Lediglich einzelne Symptome können gelindert oder therapiert werden. Die Forschung hat noch nicht so viel Interesse an Kindern mit Lissenzephalie, dafür sind es zu wenige. Weniger als 1:100.000 Fälle aller Lebendgeburten sind nur betroffen. Dabei könnte man so viel lernen von diesen wunderbaren Wesen. Ein kaputtes Gehirn kann ja theoretisch jeden treffen und je mehr Erfahrungen man auch mit Liss-Kindern sammeln würde, um so mehr könnte auch anderen Menschen das Leben lebenswert gemacht werden.
Aufmerksam können sie sein, sie haben oft einen starken Willen, sind zäh, sind durchaus lernfähig und haben viel mehr drauf, als man ihnen auf den ersten Blick zutraut. Und wenn es ihnen gut geht, strahlen sie mit der Sonne um die Wette.


Echte Inklusion kann man lernen von unseren Liss-Kindern, aufmerksam sein und achtsam. Ich trage heute Jeans zu Ehren meiner Tochter und für lissencephaly awareness.

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