Die Achterbahn der besonderen Art

 "Life is a rollercoaster - Das Leben ist eine Achterbahn" - darüber gibt es sogar ganze Lieder. Und es ist wahr. Mal geht es bergab, aber immer auch bergauf. Früher bin ich gerne Achterbahn gefahren, besonders die Loops hatten es mir angetan. So schön schwerelos fühlte sich das an. Auch wenn es ganz gewaltig im Bauch kitzelt, wenn der große Drop kommt, ist es immer irgendwie aufregend, wenn es bergab geht. Aber egal ob aufwärts oder abwärts, am Ende der Fahrt kommt man immer wieder da an, wo man eingestiegen ist. Also irgendwie auf gleichem Level. Und früher fühlte sich auch das Leben so an. Wenn es mal bergab ging, egal wie steil, konnte ich eigentlich immer darauf vertrauen, dass es auch irgendwann wieder bergauf geht und sich dann auf einem schönen Level einpegelt.


Früher scheint inzwischen ewig weit weg zu sein. So ein rollercoaster special needs style ist irgendwie anders und ehrlich gesagt gar nicht schön. Die Talfahrten gibt es zur Genüge, aber nie geht es dann genau so steil wieder bergauf. Es gibt natürlich mal wieder ein wenig Stabilisierung, einen kleinen Fortschritt, aber am Ende kommt man nie mehr da raus, wo man mal war, sondern von mal zu mal tiefer. Vielleicht fühlen sich deswegen so viele, die in einer solchen Situation sind, gefangen und wie in einem tiefen Loch. Vielleicht ist das gar keine bloße Wahrnehmung, sondern Tatsache, weil die Achterbahn des Lebens so merkwürdig konstruiert ist.

Ich knabbere seit vielen Monaten sehr an dieser blöden Konstruktion. Zwar scheine ich genügend Resilienz zu besitzen, dass ich noch nicht aufgegeben habe, mich immer wieder so weit aufrapple, dass ich weitermachen kann ohne zusammenzubrechen, aber schön ist wirklich anders. Diese ewige Tretmühle ertrage ich immer weniger. Es ist nie Besserung oder ein Ende von irgendetwas in Sicht, immer nur noch eins und noch eins und noch eins. Wenn ein Antrag erledigt ist, steht schon der nächste an und wieder der nächste und man muss erinnern, nachhaken, nachbessern, warten, alles auf dem Schirm haben. Neulich ist es wieder passiert, dass ich tatsächlich den Überblick verloren hatte. Noch hab ich ihn nicht ganz wiedergewonnen, aber egal, ich muss schon wieder an die nächsten Dinge denken, die erledigt, geklärt, organisiert werden müssen.

Die Energie dafür hab ich längst nicht mehr, Freude empfinde ich nur noch selten, wenn, dann punktuell. Dabei ist mir durchaus bewusst, dass ich trotz allem noch viel Glück habe und ich muss vor allem immer dankbar sein. Für alles und jeden dankbar sein. Das ist vermutlich auch so ein Ding der Eltern von Kindern mit einigen Besonderheiten, dass wir dankbar zu sein haben. Viele wissen nicht mit mir umzugehen, wenn ich ehrlich sage, dass ich keinen Bock mehr auf Dankbarkeit habe. Ist nicht vorgesehen.

"Wenn sie dann lachen, ist doch alle Mühe vergessen" höre ich oft. Hm, kann sein, kann ich nicht so recht beurteilen, weil mir das sehr selten passiert, dass sie von sich aus lacht, unsere Prinzessin. In den letzten Monaten hab ich meist ein entweder leidendes oder unzufriedenes Kind. Das entspannte, fröhliche, freundliche, ganz zufriedene Mädchen, das ich mal hatte, gibt es leider nicht mehr. Dabei wird grad alles versucht, um ihr das Leben wieder angenehm zu machen. Aber nichts hat nachhaltigen Erfolg. Das tut mir weh, sehr weh und das lähmt mich und nimmt auch mir die Freude.

Trost in dieser merkwürdigen Achterbahn ist die Tatsache, dass ich nicht alleine bin da unten, ein paar Stockwerke unter dem Start. Da hocken ganz viele in ihren Löchern und strengen sich an, um wieder ein wenig Licht und Sonnenschein zu entdecken. Wer immer grade auch da unten sitzt und noch gar nicht gemerkt hat, dass es am Konstruktionsfehler der speziellen Achterbahn liegt, der oder dem sei gesagt: Du bist tatsächlich nicht allein. Es gibt mehrere von unserer Sorte und uns musst Du nix erklären. Wir wissen, dass Du alles tust, was Du kannst, wir wissen, dass Du eigentlich schon lange nicht mehr kannst, aber trotzdem weitermachst. Und auch, wenn Du das Gefühl hast, es genügt nicht, was Du tust, Du bist nicht gut genug, Du hast aufgegeben, dann lass Dir sagen, das entspricht nicht der Realität. Du hast schon mehr erreicht, als die meisten, denn normale Achterbahnen führen nicht automatisch nach unten. Du musst nur noch den einen, kleinen Schritt weitergehen und dann kannst Du wieder ein bissl rausschauen aus Deinem Loch. Wenn Deine Nasenspitze wieder Wind spürt, zieh Dich noch ein wenig weiter hoch und schau Dich um. Ich winke Dir und guck mal, da kommen noch ganz viele andere Hände winkend aus ihren Löchern. 

Es gibt uns, es gibt viele von uns und wir haben alle auf unsere Weise die gleichen Herausforderungen zu meistern. Wir sind nicht allein, auch wenn wir meist einsam sind und oft allein gelassen. Nur noch ein Schritt und wer weiß, vielleicht fängt dann ja auch irgendwann mal wieder ein Looping an, der herrlich schwerelos ist. Vor allem meiner Prinzessin würde ich viele Loops wünschen. Unbeschwerte, fröhliche Momente ohne Hürden und Einschränkungen. Das wünsche ich auch allen anderen, die der Grund dafür sind, dass einige von uns in ihren Löchern sitzen. Lasst uns winken mit letzter Kraft und uns gegenseitig Mut machen und wer immer es heute hören muss: Du machst einen verdammt guten Job in dieser Achterbahn!

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