Wenn besondere Kinder krank sind, muss man sie auch oft besonders behandeln

Manchmal glaube ich, dass ich Mutter einer Wunderhummel bin. Was mein Kind in 24 Stunden so an Überraschungen auf Lager haben kann, dafür braucht ein ganz normales Kind einige Tage.
Als das kurze Kind letzte Woche Donnerstag von der Schule nach Hause kam, war es verschleimt, aber es war noch alles in Ordnung. Freitag war sie ganz tüchtig beim Orthopädentermin, in der Hippotherapie hat sie schon ein wenig geschwächelt, aber nicht tragisch. Auch Samstag schien noch alles weitgehend in Ordnung zu sein, die Nase lief beträchtlich, aber anständig absaugen half gut.

Dann kam der Sonntag und es wurde schwieriger. Die Prinzessin hatte Schmerzen. Irgendwelche Schmerzen. Weinerlich, dauernd jammernd, richtig laut aufweinend - es tut mir auch nach fast acht Jahren immer noch in der Seele weh, auch wenn ich manchmal davon genervt bin und für dieses wenig empathische Gefühl ein richtig schlechtes Gewissen habe. Im tiefsten Inneren meines Herzens tut sie mir wahnsinnig leid und ich bin frustriert, dass ich so oft nicht gleich oder überhaupt nicht erkenne, was ihr fehlt. Ibu ist im Normalfall unsere erste Wahl bei hohem Fieber und Schmerzen, weil es üblicherweise richtig gut und einigermaßen schnell hilft. Wir sind inzwischen großzügig damit, leiden soll sie nicht und wir wissen inzwischen, dass nichts, aber auch wirklich gar nichts so zuverlässig anschlägt.

Der Plan ging zunächst auf, aber mitten in der Nacht kam der Schmerz zurück. Es sah nach Bauchschmerzen aus und wir hatten eine Nachtschwester, die gleich eine ausführliche Bauchmassage gemacht hat. Ohne Fieber geht auch Fußreflexzonenmassage richtig gut, das war dann mein Part. Ein warmes Dinkelkissen fiel uns dann auch noch ein, dann war mit alternativer Behandlung auch schon Ende Gelände, Fencheltee hatte sie vorher schon. Also wieder Ibu. Ging schon wieder, weil acht Stunden locker vorbei waren. Immerhin war ich beruhigt, dass es kein Harnwegsinfekt war - den konnte ich zumindest ausschließen. Madame hatte mir freundlicherweise im Toilettenstuhl Urin zum testen gelassen. So sauber war der Urin glaube ich noch nie. Eliminierungstaktik ist gut, also KEIN Harnweg, aber was dann? Zahn? Genug geknirscht dafür hätte sie ja.

Unter Ibu fing das kurze Kind uns jetzt tatsächlich an aufzufiebern. Hoch. 39,4°C. Wer ein wenig Ahnung von Epilepsie hat weiß, dass das recht kritisch werden kann. Fieber ist ein massiver Trigger für epileptische Anfälle und die können bei unserer Maus im Fieberanstieg bei so hohem Fieber gerne mal unangenehm werden und Sauerstoff, im schlimmsten Falle ein Notfallmittel erfordern. Unsere Begeisterung hielt sich also sehr in Grenzen. Was tun? Wir konnten zum Glück wieder Alternativen auffahren:

Wadenwickel. Die guten, alten Wadenwickel waren gefragt. Die konnte ich erst wenige Male bei ihr ausprobieren, weil sie üblicherweise Eisklumpen am Ende der Beine hat, sobald sie auffiebert. Diesmal waren die Füße warm, die Beine auch, das MUSSTEN wir ausnutzen Sogar einen kühlen Lappen auf der Stirn hat sie gerne ertragen und klaglos die Prozedur über sich ergehen lassen. 38,3°C sprach das Thermometer eine halbe Stunde nach dem letzten Wickel, 37,8°C nach einer Stunde. Gigantisch! Dann noch die volle Ladung Homöopathie dazu - kann ja fast nix mehr schief gehen.

So wächst unser Repertoire an Behandlungsmethoden beständig und wir stellen fest, dass es nicht immer gleich die schweren Geschütze sein müssen, die wir auffahren, oft spricht die Maus - genau wie ich übrigens - ganz hervorragend auf alternative Methoden an.

So gibt es Spitzwegerichtee mit Honig oder Thymiantee, wenn die Atemwege plagen, Kapuzinerkresse mit Meerrettich wenn ein Harnwegsinfekt ärgert, dem wir inzwischen offenbar ausgesprochen erfolgreich mit hoch dosiertem Vitamin C vorbeugen. Wir haben Säfte auf pflanzlicher Basis, die die Nebenhöhlen und das Abhusten unterstützen. Salbei hilft, wenn der Hals kratzt, Fenchel wenn es im Bauch zwickt und zwar äußerlich als Öl und von innen als Tee. Melissenöl ist eine gute Wahl für eine entspannende Abendmassage, der Thymian-Myrthe-Balsam ganz fantastisch als Auflage bei Atemwegserkrankungen. Die Liste lässt sich fortsetzen. So haben wir uns auch diesmal durch sämtliche probate Varianten gearbeitet.

Gerade als wir uns gefreut hatten, dass wir offenbar um eine Katastrophe herum gekommen sind, fing mein persönlicher Gau an: Die Prinzessin hatte Nasenbluten. Viel. Richtig viel. Offen gestanden sah es ein wenig aus wie in einer Metzgerei, Absauger sei Dank war auch das irgendwie zu bewältigen. Jetzt hoffen wir, dass die Bluterei aufhört, die Lunge keinen allzu großen zusätzlichen Schaden genommen hat, der Sauerstoffbedarf nach unten geht, der Husten besser wird und das kurze Kind hoffentlich bald wieder über den Berg ist. Es ist ja nicht so, dass ich nicht noch gerne weitere alternative Behandlungsmethoden lernen möchte. Aber irgendwie würde ich mir dafür gerne ein paar Jahre Zeit lassen und nicht alles in die nächsten Tage packen.

Was mich bei alldem wirklich verblüfft ist die Tatsache, dass unsere tapfere Prinzessin alles wirklich irgendwie erträgt. Nach wie vor gelingt es mir, ihr einmal am Tag wenigstens ein Lachen zu entlocken, sobald sie sich etwas besser fühlt, lautiert sie, erzählt, spielt mit ihren Händen und fordert ihre Elfen ein. Ich weiß nicht, ob ich so viel Energie hätte. Wahrscheinlich hätte ich schon längst die Nase voll, aber unser Kind beißt sich durch. Jeden Tag aufs neu und hummelt vor sich hin. Und deswegen werden wir auch weiterhin besondere Methoden verfolgen, unserem besonderen Kind eine besondere Behandlung zukommen zu lassen. Wenn nur irgendwas davon mal so richtig schnell und nachhaltig helfen könnte... Aber vielleicht erwarte ich da dann doch ein bissl viel Wunder für unsere besondere Wunderhummel.

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