November ist der Monat der Epilepsie

Für viele Erkrankungen gibt es einen bestimmten Monat, in dem versucht wird, durch Aufklärung, Aufmerksamkeit auf die Erkrankung zu erhalten und Berührungsängste zu nehmen. Die Angelsachsen bezeichnen das als "Awareness Month" und für Epilepsie ist das eben der November.

Epilepsie ist in unserer Familie täglicher Begleiter und obwohl wir viel Routine entwickeln mussten im Laufe der Jahre, möchte ich nicht behaupten, dass ich mich daran gewöhnen kann. Ich hasse jeden einzelnen, epileptischen Anfall. Unsere Tochter gehört zu den geschätzt 2% aller Kindern mit Epilepsie, die unter dem sogeannten West-Syndrom leiden. Es handelt sich dabei um eine therapieresistente Form der Epilepsie, die leider trotz zahlreicher Medikamente nicht einstellbar ist. Unsere Maus hat im Prinzip 24 Stunden am Tag Anfälle, wir sehen zum Glück nur die Spitzen.

Obwohl weltweit geschätzt etwa 40 Millionen Menschen an Epilepsie leiden und die Epilepsie mit geschätzten rund 3% zu den häufigsten chronischen Erkrankungen des Nervensystems gehört, haben die meisten Menschen unvorstellbare Berührungsängste mit Patienten, die an Epilepsie leiden.

Epilepsie ist nicht ansteckend, sie ist nicht eklig, Menschen, die unter Epilepsie leiden, sind keine Freaks und nicht in jedem Fall total behindert wie unsere Tochter. Viele "ganz normale" Menschen haben Epilepsie und ab und an passiert es, dass sie trotz medikamentöser Therapie Anfälle erleiden. Wie man gut reagiert, wenn man einen Anfall miterlebt, wissen auch die wenigsten und reagieren panisch oder zumindest sehr verunsichert, dabei ist es gar nicht schwer, sich gut oder gar richtig zu verhalten.

Wenn Sie einen epileptischen Anfall beobachten oder glauben, es handelt sich um einen Anfall, dann schauen Sie kurz auf die Uhr, um die Zeit zu messen, für die Dauer  des Anfalls. Nicht alle Anfälle sind große Anfälle, so genannte Grand Mal Anfälle, bei denen der Patient am ganzen Körper zuckt. Es kann auch passieren, dass die Patienten einfach abwesend sind (so genannte Absencen) oder schlicht stehen bleiben. Epilepsie hat viele Gesichter. Sorgen Sie bitte dafür, dass der Betroffene sich nicht verletzen kann. Legen Sie vielleicht etwas Weiches unter den Kopf, entfernen Sie scharfe Gegenstände, stecken Sie aber bitte nichts in den Mund. Wenn der Betroffene bewusstlos wird, sich doch verletzt und/oder der Anfall länger als fünf Minuten dauert, rufen Sie bitte einen Notarzt. Bis zum Eintreffen ist es eine gute Idee, den bewusstlosen Patienten in die stabile Seitenlage zu bringen, sobald der Anfall vorüber ist. Verständigen Sie bitte auch dann den Notarzt, wenn Sie eine Anfallsserie von mehreren, kurzen Episoden beobachten.

Wenn der Anfall vorüber ist und der Patient ist ansprechbar, versuchen Sie möglichst ruhig zu bleiben und dem Betroffenen zu versichern, dass alles unter Kontrolle ist. Viele Patienten sind nach dem Anfall etwas benommen und orientierungslos, manche gar schläfrig. Andere Betroffene können nahtlos mit dem fortfahren, was sie vor dem Anfall getan haben. In jedem Fall freut sich der Betreffende, wenn Sie einfach da sind, bei Orientierungslosigkeit kurz erklären, was passiert ist und wo Sie sich mit dem Patienten gerade befinden.

Sollte es notwendig geworden sein, den Notarzt zu rufen und der Patient kommt vorher wieder zu sich und reagiert abweisend oder gar aggressiv, weil sie den Notarzt verständigt haben oder macht Ihnen gar Vorwürfe, dann nehmen Sie es bitte nicht persönlich. Sie haben alles richtig gemacht und der Notarzt wird entscheiden, wie es weiter geht. Betroffene schätzen die Situation für sich selbst oft anders ein als ein Unbeteiligter und im Zweifel, wenn Sie den Patienten nicht oder nicht gut genug kennen, rufen Sie lieber einmal mehr als einmal zu wenig über die 112 Hilfe.

Wir verständigen natürlich nicht bei jedem Anfall die Rettung. Da hätten wir viel zu tun und es würde auch keinen Unterschied machen. Wir können die meisten Anfälle inzwischen abschätzen, wissen, wann wir ein Notfallmittel geben müssen, wann Sauerstoff und wann es wirklich kritisch ist. Das bedeutet nicht, dass wir auch daneben liegen können, aber es ist unser Kind, wir sind angeleitet, haben schon unzählige Anfälle miterleben müssen und wissen meistens ganz gut einzuordnen, was da passiert.

Bitte bedenken Sie, dass Epilepsie theoretisch jeden betreffen kann, entweder weil man selbst mal einen epileptischen Anfall erleidet oder weil jemand im nahen Umfeld davon betroffen ist. Nur weil jemand einen epileptischen Anfall hat, bedeutet das übrigens nicht automatisch, dass jemand dann dauerhaft eine Epilepsie hat. Das zu entscheiden bedarf es einen Neurologen und diverse Untersuchungen.

Und bitte, wenn Sie unsicher sind, fragen Sie gerne, scheuen Sie sich nicht, das Thema anzusprechen, informieren Sie sich, nutzen Sie die Erinnerung im November, im Monat der Epilepsie. Dankeschön!

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