Hier kommt er, der Jahresrückblick auf 2020 und ein Ausblick auf das, was kommen könnte

Bei meinem  Jahresrückblick im letzten Jahr hatte ich mich nicht getraut, mich auf 2020 zu freuen, weil ich der Ansicht war, es geht immer noch schlimmer. Hm - also ich sollte es doch mal mit Lottospielen versuchen, ich kann offenbar hellsehen. Hab ich sicher von unserer Motte geerbt, die kann das auch - nee, Moment, da hab ich jetzt einen Gedankenfehler. 


Sicher wird jeder sagen, dass 2020 Mist war, aber bei uns hat das mit Corona kaum etwas zu tun, dass ich über den Großteil des  Jahres froh bin, dass er vorbei ist.
2020 begann recht wackelig, wurde dann richtig eklig. Corona sei Dank konnte sich die Prinzessin ab März keinen Infekt mehr einfangen, weil alle endlich mal gelernt hatten, wie richtig Hände waschen geht, was Abstand bedeutet und dass es höflich ist, mit Infekten einfach fern zu bleiben. Dafür kamen die Anfälle plötzlich in einem Maße daher, das wir noch nicht gekannt hatten. 

Mir ging es 2020 selber auch nicht so richtig gut. Das hatte nicht sonderlich viel damit zu tun, dass ich ausgerechnet zur Corona-Zeit eine dämliche Begegnung mit der Gartenschere am Finger nähen lassen musste. Der Finger geht wieder und fungiert seither zusammen mit meiner Kaiserschnittnarbe als verlässlicher Vorherseher von Wetterwechseln. Ich war psychisch nicht besonders auf der Höhe. Auch das Problem hatten viele um mich herum, das hat es vermutlich für mich schwieriger gemacht. 

Unser Alltag hat sich durch Corona fast nicht verändert. Sechs Wochen lang bin ich mal ganz daheim geblieben, war nicht im Büro sondern nur im Homeoffice und Einkäufe wurden nur noch online erledigt und geliefert. Dafür sind wir regelmäßig spazieren gegangen, ich hab viel telefoniert, also bis auf wenige Anpassungen war alles wie immer. Dennoch war es hilfreich, nach sechs Wochen wieder mal einen normalen Büroalltag zu haben und ich habe gelernt, dass ich meine Mini-Freiheiten gefälligst nutzen muss, um nicht völlig gaga zu werden. Allein daran lag es aber nicht, ich hab vermutlich einfach wirklich ein sehr feines Gespür für nahende Katastrophen.

In so eine Katastrophe sind wir Mitte des Jahres geraten. Zwei Mal innerhalb von fünf Tagen stand der Rettungswagen vor der Tür, hat erst den Gatten und dann die Tochter ins Krankenhaus gebracht. Natürlich in zwei verschiedene, soll ja nicht bequem werden. Der Gemahl musste allein zurecht kommen, die Prinzessin hab ich begleitet und versucht, so viel wie möglich rundrum zu organisieren. Ich glaube diese Wochen waren die schlimmsten seit langer Zeit. Meine schlimmsten Befürchtungen wurden übertroffen und ich hatte so gar keine Perspektive mehr, der Urlaub war auch ausgefallen. 

Schon in der Vergangenheit hab ich gelernt, dass ich offenbar ein Stehaufmännchen bin. Ich hab mich mal mit einem Duracell-Häschen verglichen, dass ab und an auf die Schnauze fällt. Dann braucht es jemanden, der die Batterie wieder wechselt, das Häschen in die Spur stellt, einen Schubs gibt und dann läuft das Häschen wieder. Wie durch ein Wunder ist genau sowas passiert. Die zweite Jahreshälfte war damit sogar erträglich.

Die Anfallssituation ist nach wie vor alles andere als berauschend, vor allem in den letzten Tagen. Aber wir hatten es im vergangenen Jahr eben auch schon schlimmer - bis hin zu eben diesem Krankenhausaufenthalt Mitte des Jahres. Durch den erneuten Lockdown fällt wieder der Hauptteil der Therapien auf mich, was mich unheimlich anstrengt und müde macht. Vielleicht findet sich doch mal irgendeine Lösung und vielleicht sogar mit Hausbesuch - ich geb die Hoffnung noch immer nicht auf. Falls jemand jemanden kennt - Ihr wisst schon...
Dafür haben wir eine neue Therapeutin im Boot, eine Ergotherapeutin, die einzige Therapeutin, die tatsächlich ins Haus kommt und ich glaube genau das hat den Unterschied gemacht, weil sie die Prinzessin und mich in gewohnter Umgebung erlebt. Mutter und Tochter sind wieder ein Team. Nicht immer ein perfektes Team, aber welches Mutter-Tochter-Gespann kann das von sich sagen, wenn die Mutter 47 und die Tochter 10 Jahre alt ist? Wir haben wieder sogar einzelne Tage, die gut laufen. Und ich hab ganz fürchterlich viel gelernt im letzten Jahr und dafür bin ich dankbar. 

Mit meinen Erkenntnissen möchte ich diesen Jahresrückblick beenden, denn das ist etwas, das mir auch bewusst ist, ich sollte mich gefälligst auf die positiven Dinge konzentrieren, das macht den Rest ein kleines Stückl erträglicher. 
Gelernt habe ich, dass es tatsächlich wichtig ist, stur zu bleiben und auf das Bauchgefühl zu hören, wenn Chaos ausbricht. Das Abwarten haben wir inzwischen nahezu perfektioniert, genau wie das Schritt für Schritt gehen. Dass Schleim, Verdauung, Ausscheidung, Anfälle und Vollmond eine Einheit bilden und direkt zusammen hängen, haben wir auch gelernt und sind nicht mehr so ganz schockiert, wenn ein Tag ohne Stuhlgang gleich in einer kleinen Krise endet. Ibu sei Dank konnten wir uns nun schon ziemlich lange helfen. 
Und dankbar bin ich für den Dezember. Es war der erste Dezember seit acht Jahren, in dem wir weder einen Krankenhausaufenthalt noch eine Antibiose gebraucht haben und eine Lungenentzündung ist uns in 2020 ebenfalls erspart geblieben - eine Sensation ebenfalls nach acht Jahren einmalig. DAS war mega und ist sicher Corona im Positiven mit geschuldet, denn wie oben erwähnt: Mit Maske, Abstand und Hygiene kommt halt kein Infekt mehr an die Prinzessin ran.
Dankbar bin ich auch für die Hilfen, die wir bekommen haben und für unseren Pflegedienst. Dass unser Pflegedienst die Schulbegleitung stellen darf, hat uns vor ein paar Jahren viel Kampf, viel Energie und mich viele Tränen gekostet, aber ich bin so froh und dankbar, dass wir das durchgezogen haben. Auch da war es gut, stur zu bleiben. Dass unsere Schwestern so stabil waren im letzten Jahr und fast alle Dienste besetzen konnten, war ein echter Segen. Damit war die ganze Situation rund um die Beschränkungen durch Corona mehr als erträglich.

Wenn ich mir unseren etwas holprigen Jahresbeginn allerdings ansehe, rechne ich für 2021 weiterhin mit einem ständigen Auf und Ab. Vielleicht gelingt es uns noch besser, uns auf die täglichen, teilweise stündlichen Veränderungen einzulassen, vielleicht lernen wir noch mehr Zusammenhänge zu verstehen. Für mich persönlich wird es hoffentlich ein erfolgreiches Jahr werden, es steht ein wenig Veränderung an was die beruflichen Aspekte angeht. Ich freue mich vorsichtig darauf. Nicht zu sehr, das hab ich gelernt, dass zu viel Freude sofort einen Dämpfer auf den Deckel bedeutet. Aber so ein kleines bissl trau ich mich. Das könnte auch für andere Menschen hilfreich werden, die von der depperten, klassischen Sondenkost wegkommen möchten und allein für all diejenigen möchte ich mich freuen.

Ich bin neugierig, was dieses Jahr uns insgesamt bringt. Vielleicht ein wenig unserer alten Normalität, hoffentlich wieder mehr Menschen mit Hirn, das vermisse ich leider langsam - aber das führt jetzt zu weit, wenn ich mich darüber auslasse. 
Ein gutes Jahr wünsche ich uns allen mit ganz viel Gesundheit, ganz viel Energie. Ich wünsche allen pflegenden Angehörigen Kraft, Ausdauer beim Kampf mit den Kassen, ganz viele Hilfen, ruhige Momente, viel Lachen, ein positives Umfeld und genügend Kaffee und Alkohol, um die Zeiten zu ertragen, in denen zu viel von dem, was ich wünsche, fehlt. Bleiben wir gespannt, was 2021 uns bringen wird - in einem Jahr sind wir schlauer.

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