Jahresrückblick bei BeSONDErs gesund

Heute ist der letzte Tag des Jahres und traditionell finden an Sylvester diverse Jahresrückblicke statt. Was war gut, was war weniger gut und ich muss gestehen, dass es mir in diesem Jahr leider besonders leicht fällt, eine spontane Einschätzung abzugeben: 2019 war Mist! Ich bin froh, wenn es endlich vorbei ist, traue mich aber nicht so recht, mich auf 2020 zu freuen, weil ich gelernt habe, dass es nicht immer zwangsläufig nur besser werden kann, es geht immer noch schlimmer.

Aktuell sieht es gar nicht so schlecht aus, mit unserer Prinzessin. Sie ist - Stand jetzt - stabil, hat kein Fieber und die Laune ist ganz ok. Ich könnte also hochzufrieden sein und ich bin jetzt auch nicht wirklich unglücklich, aber optimal ist halt doch irgendwie anders.

Wir hatten wirklich sehr schwere Zeiten in diesem Jahr. Nicht nur unsere Motte musste von Beginn des Jahres an immer wieder gesundheitlich sehr kämpfen, nein in der ganzen Familie hatten wir Erkrankungen, die zum Teil mehrfach lebensbedrohlich waren. Solche Situationen aus der Entfernung von drei Stunden und mehr zu erleben, zu ertragen und zu versuchen, irgendwie zu lindern, Probleme zu lösen, zu unterstützen, ist schwer. Wir haben es irgendwie geschafft und einmal mehr habe ich gelernt, dass jede Menge an Belastungen und Problemen auf so einen Rücken passt. Und ich habe gelernt, dass viel auf meinen Rücken passt, ohne dass mich irgendetwas wirklich lange in die Knie zwingt. Aber glücklich, glücklich macht mich die Erkenntnis dennoch nicht.

Alles wird schwieriger und schwerer. Mit unserer Prinzessin haben wir keine guten Phasen mehr, nur noch Momente, die in Ordnung sind. Wir können nicht mehr sagen "zur Zeit geht es ihr gut", sondern maximal "im Augenblick ist sie stabil". Das kommt schon einem Freudentaumel gleich, wenn ich ehrlich bin. Wir haben im Laufe der Jahre gelernt, immer besser zu beobachten, immer schneller zu reagieren, wenn irgendwas auffällig oder wenigstens komisch wirkt. Sicher haben wir durch diese Aufmerksamkeit viel Leiden verhindern können, bestimmt sogar den einen oder anderen Krankenhausaufenthalt, und doch kann ich mich nur bedingt darüber freuen.

Alles wird schwieriger und schwerer. Unsere Prinzessin hat immer häufiger schlechte Laune, das trifft vor allem mich, weil ich viele für sie unbeliebte Dinge mit ihr erledige wie waschen, anziehen, Haare kämmen, Physiotherapie etc. Sie wird immer schwerer und damit immer schwieriger zu handeln, hat wider Erwarten immer mehr Kraft, so dass sie mir inzwischen wirklich weh tut, wenn sie um sich schlägt. Oft fliegt meine Brille, ich werde getreten und doch darf ich nicht wirklich böse sein, denn viele Möglichkeiten hat sie nicht, mir zu zeigen, dass sie auf irgendetwas grade keinen Bock hat. Physiotherapie gehört leider meist dazu. Dummerweise für mich aber auch. Ich hab nach neun Jahren keine Energie und keine Lust mehr, ständig dafür zu sorgen, dass mein Kind beweglich bleibt, dass die Lunge frei ist, dass sie keine Kontrakturen entwickelt, dass die Skoliose im Rahmen bleibt. Ich mag nicht mehr und die Verantwortung, das im Wesentlichen alleine zu Hause erledigen zu müssen, lastet zunehmend schwerer auf mir.
Häufig fällt die professionelle Physiotherapie aus, weil die Therapeuten krank sind oder die Prinzessin und wir daher nicht in die Praxis fahren können oder sie eben nicht in die Schule gehen kann. Nach Hause kommt leider kein Profi, da bleibt es an mir hängen. Gelingt es mir, das angeeignete Wissen gut genug anzuwenden, haben wir alle Glück. Der Preis dafür ist hoch und wir bezahlen mit Tränen. Tränen bei der Prinzessin und inzwischen auch immer häufiger mit Tränen bei mir. Ich will das nicht mehr, aber ich habe keine Wahl und es gibt tatsächlich keinen, aber auch überhaupt keinen Ausweg.

Und so muss ich immer häufiger die Krone wieder richten, durchatmen und weiter machen. Mir ist inzwischen bewusst, dass ich gut auf mich achten muss und ich arbeite bereits daran. Sicher wird das eines meiner Ziele für 2020 werden, diese Achtsamkeit zu verbessern. Es wird nicht besser werden mit unserer Maus. Die Anzeichen, dass ihr kleiner Körper in vieler Hinsicht langsam abbaut, lassen sich nicht mehr ignorieren. Die Pflege- und Therapeutensituation wird in absehbarer Zeit ebenfalls nicht besser werden. Mir ist bewusst, dass wir immer wieder Ausfälle haben werden. Schwierig, aber auch da haben wir keine Wahl. Ich bin stoisch geworden, weil aufregen, ändern nur Energie kostet, die ich nicht mehr habe und die ich vor allem für die richtig großen Krisen dringend brauche.

Aber selbstverständlich gab es auch 2019 viele schöne Momente. Ich erinnere mich an wirklich gute Gespräche, interessante und sehr sympathische Kontakte, lustige Augenblicke, viel Lachen und vor allem an wieder ein paar mehr Mamas, mit denen ich daran arbeiten durfte, ihre Kinder von Sondenkost auf normale Kost umzustellen. Das sind wirklich schöne Erfahrungen, von denen ich sehr profitiere und ich hoffe sehr, dass ich auch 2020 wieder ein paar Mamas kennenlernen darf, die die guten Erfahrungen selbst machen möchten, die ordentliches Essen mit sich bringt. Es wird bei BeSONDERs-gesund Neuigkeiten geben im Laufe des Jahres und ich hoffe, dass es viele gute Neuigkeiten sein können. Auf das eine oder andere darf man gespannt sein. Und ich hoffe, dass wir 2020 ganz gut über die Bühne bringen, damit am Ende des Jahres mein Ausblick aus dem Fenster nicht wieder so aussieht:


Bis auf zwei Jahre waren wir im Dezember noch immer im Kinderkrankenhaus. Wir fühlen uns dort gut aufgehoben, aber ich finde aller guten Dinge sind drei und drei Mal einen Dezember auslassen zu dürfen sollte drin sein. Fein, wenn es 2020 so weit wäre, dann fällt sicher der Jahresrückblick 2020 auch wieder etwas positiver und fröhlicher aus. Also das hoffe ich jedenfalls. Denn die Hoffnung und letzte Reste von Zuversicht hab ich mir noch nicht nehmen lassen und auch daran arbeite ich weiter im neuen Jahr.

In diesem Sinne wünsche ich Allen einen guten Rutsch und alles erdenklich Gute für 2020. Vor allem wünsche ich uns allen viel Gesundheit, Energie, gute Momente, nette Kontakte, hilfreiche Menschen und viele lustige Situationen mit ganz viel Lachen. Servus bis 2020!

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