Kennen Sie den? Der gespielte Witz ...

Nun war es mal wieder soweit: Die Nacht war mehr als bescheiden. Immerhin konnten wir eine Ursache ausmachen, also vermutlich, es war wohl der Bauch. Obwohl die Prinzessin regelmäßig Stuhlgang hat - bis auf gestern - hat sie immer wieder Phasen, in denen sie arge Bauchschmerzen plagen. Die Nachtschwester und ich haben alle Tricks aus der Kiste gezaubert, die uns eingefallen sind, am Ende musste doch ein Ibu ran. Das half und die Maus konnte den Rest der Nacht schlafen.

Es wundert mich nicht wirklich, dass es mal wieder zwickt. So richtig intensiv durchbewegt wird das arme Kind seit Wochen nicht mehr. Entweder war sie selber mal krank oder wir hatten keine Schulbegleitung und damit fielen auch die Therapien aus oder Therapeuten waren im Urlaub oder selber krank. Natürlich versuche ich so gut wie möglich, Physiotherapie selbst zu erledigen. Aber ich bin kein Profi. Ich bin Verwaltungsbeamtin und eigentlich auch gerne ab und an Mama. Trotzdem tue ich, was ich kann, aber das genügt nicht. Irgendwie muss ich dabei zusehen, wie die Schnecke immer steifer wird. Nicht so schön.

Theoretisch könnte ich mich jetzt natürlich um Ersatz bemühen. Das würde bedeuten, ich müsste eine Praxis finden, die Termine frei hat, müsste das mit dem vollen Terminkalender unserer Motte abgleichen und dann würde die Logistik beginnen. Wir brauchen ein Rezept, Hausbesuche machen die Therapeuten in unserer Konstellation nicht, weil sie nicht genug daran verdienen, also muss ich genau überlegen, wann ich wie viel sondieren kann und muss, um die Autofahrt unbeschadet hinter uns zu bringen, ob ich es alleine schaffe oder meinen Mann brauche als Begleitung oder ob der Termin so nah am Ende der Schulzeit ist, dass ich noch die Schulbegleiterin organisieren muss, die mitkommen muss, weil ihr Auto bei uns steht und sie da auch irgendwie wieder hinkommen muss.
Theoretisch würde das gehen. Praktisch kann ich nicht mehr. Ich bin ausgelaugt, ich bin am Ende. Jede weitere Organisierorgie führt bei mir schon in der Vorstellung zu Herzrasen und Panikattacken. Dabei höre ich gerade in letzter Zeit so häufig, dass ich dringend mehr an mich selbst denken muss und für mich sorgen muss. Sehr gerne würde ich das tun. Wann und wie? Hat jemand einen Tipp für mich? Als ich neulich offen zugegeben habe, dass ich den Überblick verloren habe und mich völlig überfordert fühle, hat mein Gegenüber geantwortet "Ach das glaube ich Ihnen nicht, Sie machen doch noch so viel".
Fühlt sich ein wenig an wie der gespielte Witz, in dem jemand mitten im See mit den Armen rudert und die Spaziergänger am Ufer winken und sich freuen, dass der Schwimmer so freundlich ist. Dass die arme Sau da einfach am Absaufen ist und um Hilfe rudert, merkt keiner.
Was müsste denn passieren, damit mein gespielter Witz hier ernst genommen wird? Muss ich mein Kind vernachlässigen? Muss ich Berge von schmutziger Wäsche stapeln? Muss ich ungeduscht und stinkend in der Bude hocken? Muss ich dreckiges Geschirr bis zur Schimmelgrenze in der Spüle stapeln? Ich weiß nicht, was passieren müsste, dass man mir glaubt. Aber vielleicht gibt es ja Hilfe und ich merke es nur nicht. Vielleicht gibt es ja da draußen jemanden, der mir ernsthaft helfen könnte. Wie die Hilfe aussehen müsste? Da hab ich ganz konkrete Vorstellungen, also lassen Sie uns mal schauen, ob Sie meine Frau oder mein Mann für diesen Fall sein könnten:

Sind Sie Gesundheits- und Krankenpfleger oder kennen Sie jemanden, der das ist? Können Sie oder derjenige sich vorstellen, unser Team für die Schulbegleitung zu verstärken? Die Einstellung erfolgt ganz regulär über unseren Pflegedienst, die Einarbeitung daheim gibt es von uns so ausführlich wie gewünscht und in der Schule kümmern sich die Kolleginnen um die Einarbeitung. Bewerbungen von Männern sind übrigens ausdrücklich erwünscht. Wir hatten schon ein wirklich wundervolles Exemplar am Start, aber leider hat uns dann der Pflegedienst gekündigt und schon sind wieder zwei Kräfte weggefallen, unter anderem eben auch die einzig männliche Kraft. Aber vielleicht sind Sie der oder die Richtige? Bewerben Sie sich, Sie helfen uns sehr. Erstens kann unsere Maus dann wieder regelmäßig in die Schule gehen und zweitens können wir Eltern dann auch wieder besser planen. Ich kann wieder eigene Arzt- und Therapeutentermine wahrnehmen, kann mal eine halbe Stunde nur für mich was tun und auch mein Mann kann mal durchschnaufen und Termine wieder normal verteilen und nicht so, dass er freundlicherweise Montag bis Donnerstag Vormittag Termine blockt, weil er häufig "nebenher" unser Kind betreut, damit ich wenigstens einigermaßen normal arbeiten kann.

Sind Sie PhysiotherapeutIn? Können Sie sich vorstellen, Hausbesuche zu machen und trotzdem beihilfekonform abzurechnen? Prima! Dann sind Sie der oder die Richtige! Ein Rezept zu organisieren krieg ich noch auf die Reihe, Termine finden sich leichter, wenn ich das Haus nicht verlassen muss. Wir haben hier genügend Platz und eine Vojtamatte, die auf unser höhenverstellbares Pflegebett passt. Wir haben Lagerungsmöglichkeiten, Pilatesbälle, Igelbälle, eine Vibrationsplatte, Massagegeräte. Wir haben also ideale Bedingungen. Melden Sie sich bei uns, wir brauchen Sie und Ihr Können!

Sind Sie heiß drauf, ein wenig Verwaltungsarbeit zu erledigen? Es geht darum Anträge zu stellen, zu überwachen, Einsprüche zu erledigen, Rezepte zu organisieren und zu überwachen und die Ablage zu erledigen. Das klingt nicht sonderlich spektakulär, aber ich schaffe es nicht mehr, weil nichts mehr so einfach ist, wie es mal war.
Beispiel gefällig? Unser Duschtoilettenstuhl daheim ist zu klein geworden. Nach vier Jahren ist das kein Wunder würde ich denken. Der erste war von Versicherung und Beihilfe genehmigt. Wir haben eine Zweitversorgung für die Schule genehmigt bekommen, später, damit ist der Sitz gleich größer gewählt worden. Der passt also noch. Nun habe ich mir erlaubt, Ende Februar einen größeren Sitz zu beantragen für unser Modell daheim, weil die Maus nicht mehr gut drin sitzt und inzwischen viel daneben geht und hatte damit gerechnet, dass es kein großes Ding sein würde, denn die generelle Notwendigkeit wurde ja bereits anerkannt von beiden Stellen, es geht ja nur um eine neue Größe. Die Beihilfestelle wollte nach ein paar Wochen gerne wissen, was denn die Pflegekasse macht, wenn das bekannt ist, äußern sie sich auch. Von der Kasse hatte ich noch nichts gehört, die Nachfrage ergab, der Antrag wäre in Bearbeitung, zwei Wochen später meinte man, er wäre halt eingegangen, mit einer Bearbeitung vor Anfang Juni könnte ich aber nicht rechnen. ??????!!!!!!! Es ging dann doch schneller und ich bekam die Aufforderung im Mai, mich um einen zweiten Kostenvoranschlag zu kümmern. Das ist grundsätzlich kein Problem, wenn ich es vorher weiß, aber so wirkte es ein wenig wie Zeit gewinnen wollen. Ich holte ein zweites Angebot ein, das hatten wir bislang noch nie gebraucht, aber egal und dann ging es relativ schnell. Der günstigere Kostenvoranschlag wurde tatsächlich von der Kasse genehmigt. Jetzt brauche ich nur noch das passende Rezept, die Bestellung habe ich schon auf dem Weg und dann muss ich nur noch dran denken, dass ich alles zusammen führe.
Das ist nur ein Beispiel von vielen. Abrechnungen gehen inzwischen fast nie einfach durch. Entweder braucht die eine oder die andere Stelle noch einen zusätzlichen Nachweis oder den Nachweis des jeweils anderen, alles früher Routineangelegenheiten, die bislang einigermaßen problemlos verliefen. Falls also jemand Lust und Zeit hätte, solche Dinge zu übernehmen und auch eine Idee hat, wie er oder sie dafür entlohnt werden könnte, dann melden Sie sich bitte. So richtig zahlen können wir leider nicht. Wir arbeiten beide bedauerlicherweise nicht deshalb, weil uns sonst die Decke auf den Kopf fallen würde, sondern weil wir die Kohle brauchen. Dringend. Also müssen wir uns eine kreative Lösung einfallen lassen. Ich bin für Ideen offen!

Sie putzen gerne? Prima! Ich könnte Hilfe brauchen beim Staub wischen, Staub saugen, Böden wischen, bügeln, Bäder putzen. Dummerweise haben wir hier allerdings das gleiche Problem wie bei meiner Traum-Bürokraft: Das mit der Bezahlung wird schwierig, aber vielleicht haben Sie ja eine kreative Idee für eine Lösung dieses Problems.

Wie ist die Lage? Kann mir jemand helfen?
Ja?  Ich bin begeistert, dankbar, im Himmel!
Nein? Schade, aber ich hab es fast befürchtet. Aber in dem Beispiel hätte ich eine ganz dringende Bitte: Ich möchte bitte ab sofort nie wieder den gut gemeinten Ratschlag hören, ich möge mich um mich selber kümmern. Reden ist für mich keine Option. Ich kenne meine Probleme und wie Sie lesen können, weiß ich auch ganz genau, wie die zu lösen wären. Ich brauche keine Gespräche, ich brauche echte Hilfe. Ich brauche keine Auszeit von einer Stunde oder zwei, ich brauche langfristige Lösungen. Ich brauche einen Ausweg aus dem Therapiedefizit ohne mich selbst hinstellen zu müssen. Ich kann nämlich nicht mehr. Ich bin fertig. Aber vielleicht stelle ich mich einfach mal in den Garten und rudere mit den Armen. Mal sehen ob die Menschen winken und sich freuen, dass ich so freundlich bin oder ob mir jemand einen Rettungsring entgegen wirft.

Es ist natürlich richtig, dass wir - wenn alles gut geht - nächste Woche ins Hospiz fahren dürfen. Das ist Entlastung. Korrekt. Zehn Tage sind genehmigt. Das bedeutet, wir haben Aussicht auf acht Tage Auszeit. Die An- und Abfahrtstage sind so derart keine Erholung, dass uns für die Tage nicht mal das Pflegegeld gestrichen wird. In den verbleibenden acht Tagen hoffen wir, dass es besser läuft als letztes Jahr. Da waren wir in der Notaufnahme, mussten teilweise Pflege selbst übernehmen und konnten vor lauter Sorge nur schlecht entspannen. Unterm Strich hatten wir 1 1/2 Urlaubstage. Seitdem hatten wir keinen echten Urlaub mehr. Das ist ein Jahr her. Natürlich schreibe ich ab und an Urlaubsanträge, die auch genehmigt werden, aber diese Tage brauche ich um unser Kind zu betreuen, weil die Einrichtung komplett geschlossen ist und sie ja versorgt sein muss. Ins Ferienlager schicken oder zu den Großeltern fällt in unserem Fall ja leider aus. Aber klar, Aussicht auf acht Tage Urlaub sind schon schön!

Alle Mamas da draußen, die mich deswegen kennen oder kennen lernen möchten, weil ich Ihnen bei der Umstellung ihrer Mäuse von Sondenkost auf Normalkost helfen soll, bitte meldet Euch bei mir! Ihr dürft mich jederzeit kontaktieren und für Euch nehme ich mir gerne Zeit. Das ist nämlich die Kür und nicht die Pflicht und die Kür ist oft leichter zu erledigen und mit mehr Freude. In den Beispielen sehe ich meistens sehr schnell ein gutes Resultat, es gibt Erfolge. Das Gefühl, mitzuerleben, wie eine Mama freudestrahlend merkt, dass sich irgendetwas zum Guten wendet, ist unbezahlbar. Von solchen Erfolgserlebnissen lebe ich. Das macht mir Freude. Das ist Balsam für meine Seele. Und ich soll ja schließlich an mich selber denken. Also traut Euch weiter, Euch zu melden. IHR belastet mich nicht. Wenn es wirklich mal grad gar nicht passt, weil die Katastrophe über mich hereinbricht, dann sag ich das ganz ehrlich und weiß, Ihr habt Verständnis dafür.

Und was ich mir zu guter Letzt auch wünschen würde: Bitte kein Mitleid und keine Nachrichten, wie toll ich doch bin, dass ich trotzdem noch alles schaffe. Ich bin nicht toll und ich mach nichts was toll ist. Ich will kein Mitleid und ich will nicht hören, dass mich irgendjemand bewundert. Es fällt mir ausgesprochen schwer, das zu sagen und zuzugeben, aber alles, was ich wirklich möchte ist Hilfe. Sonst nix.

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Nicht ganz dicht, oder?

Wenn das Sterben zum Leben gehört

Urlaub im Sternenzelt